Wetter

Auf Hitze folgt Schwüle

von Holger Westermann

Das Tiefdruckgebiet „Eberhard“ führt mit einer südlichen Strömung heiße Luft nach Mitteleuropa. Vielerorts wird die Hitze nur schwer erträglich, das Thermometer soll wieder über 37°C steigen. Sobald „Eberhard“ sich so weit ostwärts verschiebt, dass Mitteleuropa an der Westflanke des Tiefs liegt, versiegt der Heißluftzustrom und Tiefausläufer führen deutlich kühlere Kaltluft heran. Dieser Wetter- und Luftmassenwechsel wird von heftigen Gewittern begleitet. Die Thermometertemperatur sinkt, aber aufgrund zunehmender Schwüle steigt die gefühlte Temperatur sogar.

Bereits in der Nacht zum Freitag werden im Westen und Südwesten Deutschlands kräftige Gewitter mit Unwetterpotenzial erwartet. Je weiter die kühle Luft aus Nordwesten voran kommt, um so weiter schiebt sich die Gewitterfront über Mitteleuropa. Örtlich kann dann in kurzer Zeit viel Regen fallen, in ungünstiger Lage (Gewitter ergießt sich über engem Tal oder staubtrockenen Hängen) können auch Überschwemmungen auftreten.

Nach den zwei Hitzewellen, heuer (in diesem Jahr) Anfang Juli und Anfang August quält auch derzeit rekordverdächtige Hitze die Menschen in Mitteleuropa. Doch diesmal belastet vor allem die drückende Schwüle Wohlbefinden und Gesundheit.

Schwüle charakterisiert ein subjektives Empfinden, eine eindeutige, für alle Orte und Menschen gültige, meteorologisch fundierte Definition gibt es nicht. Man kann aber auf Grundlage des Temperatur-Feuchte-Milieus eine Schwülegrenze festlegen. Bewährt haben sich die Charakteristika des Klima-Michel-Modells, wobei auf die Berücksichtigung von Wärmestrahlung, Luftbewegung sowie körperlicher Aktivität verzichtet wurde. Als absoluter Wert für die Schwülegrenze gilt ein Dampfdruck von 18,8 hPa (hekto Pascal).

Ein Dampfdruck von 18,8 hPa entspricht einem Taupunkt von etwa 17 °C. Das bedeutet, dass bei dieser Lufttemperatur eine relative Luftfeuchte von 100% bereits Schwüleempfinden provoziert. Im Umkehrschluss ist unterhalb von 17°C keine Schwüle möglich. Je höher die Lufttemperatur ist, desto geringer wird die zur Realisierung von 18,8 hPa notwendige relative Feuchte. Bei 20 °C werden immerhin 80 %, bei 30 °C noch 44 % und bei 40 °C nur ca. 25 % relative Luftfeuchte benötigt, um Schwüle zu empfinden. So kann der Thermometerwert deutlich sinken, ohne dass Linderung empfunden wird. Steigt gleichzeitig durch den Einstrom sehr feuchter Luft der Dampfdruck, wird die gefühlte Temperatur womöglich sogar ansteigen.

Bei Schwüle schwindet die Fähigkeit des menschlichen Körpers durch Schwitzen (Verdunstung auf der Haut) Körperwärme an die Umgebung abzugeben. Die optimale Betriebstemperatur der Menschen beträgt tagsüber 36,5°C (während des Schlafs etwa 34°C). Durch Aktivität von Muskulatur und Organen wird Wärme erzeugt, die abgeleitet werden muss. In kalter Umgebung gelingt das zuverlässig durch den Blutfluss. Durch den Querschnitt der Arterien regelt der Körper wieviel Wärme über die Haut an die Umgebungsluft abgegeben wird. Bei Hitze gelingt die Wärmeübertragung an die Luft nicht mehr. Selbst bei extrem geweiteten Arterien ist die Temperaturdifferenz zu gering, um einen nennenswerte Effekt zu erreichen. Durchs Schwitzen bringt der Körper Wasser auf die Haut, das in trockener Hitze unmittelbar verdunstet. Dabei wird die Hautoberfläche gekühlt und die Ableitung der Körperwärme funktioniert wieder. Hohe Luftfeuchte verhindert die Verdunstung, der Schweiss rinnt wirkungslos am Körper hinab, dem Körper
droht ein Wärmestau (Hyperthermie) und im Extremfall ein lebensbedrohender Hitzschlag.

Auch wenn Schwitzen bei Schwüle ein unangenehmes Körpergefühl provoziert, grundfalsch wäre weniger zu trinken, um den lästigen Wasserfilm auf der Haut zu vermeiden. Die Kühlung des Körpers auf optimale Betriebstemperatur hat hohe physiologische Priorität. Das notwendige Wasser wird zu einem Gutteil aus dem Blut rekrutiert. Wer (zu) wenig trinkt, dickt sein Blut sukzessive ein, das Risiko für Thrombosen und Infarkte steigt rasant.

Quellen:

Dipl.-Met. Thomas Ruppert: Hitze und Schwüle. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 12.08.2015

Westermann, H. (2015)
: Klima-Michel schwitzt. Menschenswetter Artikel 1276, online veröffentlicht am 05.08.2015.

Erstellt am 12. August 2015
Zuletzt aktualisiert am 12. August 2015

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