Störung des Tag-Nacht-Rhythmus durch langen Winter oder tristes Wetter
Sonnenschein schrumpft ADHS-Risiko
Der Mangel an Sonnenlicht kann die Stimmung trüben. Manche Menschen neigen gar zu leichter Depression, wenn es für längere Zeit wolkenverhangen, regnerisch und ungemütlich kalt bleibt. Doch offensichtlich ist die Wirkung des Sonnenscheins auf die Psyche nicht nur vorübergehend und reversibel. Kinder, die in schattigen Landschaften aufwachsen, bilden mit größerer Wahrscheinlichkeit ein ADHS aus, als ihre sonnenverwöhnten Altersgenossen.
Das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) ist inzwischen die am häufigsten diagnostizierte psychische Erkrankung im Kindesalter. Niederländische und amerikanische Forscher haben in drei großen Datensätzen (aus 49 US-Bundesstaaten und 9 weiteren Staaten) den Zusammenhang zwischen Intensität der Sonneneinstrahung und dem Auftreten von ADHS untersucht. Die Intensität der Sonneneinstrahlung (solar intensity, SI) berechneten sie als Kilowattstunde pro Quadratmeter pro Tag (kWh / m2 / 24h).
In Staaten und US-Bundesstaaten mit überdurchschnittlich hoher Sonneneinstrahlung wurde bei deutlich weniger Kindern ADHS diagnostiziert, als in Regionen mit vergleichsweise geringem SI-Wert. Dabei hatten die Forscher bereits andere bekannte Risiko-Faktoren (geringes Geburtsgewicht, rauchende Mütter, prekäres soziales Umfeld) als auch geographische Effekte (Breitengrad) statistisch herausgerechnet. Bei anderen psychischen Erkrankungen, die durchaus auch schon Kinder betreffen können, wie beispielsweise Depressionen oder Autismus konnten die Forscher keinen Sonnenlicht-Effekt feststellen. Es handelt sich demnach nicht um ein generelles, sondern ein hoch spezifisches ADHS-Phänomen.
Der aufgezeigte Zusammenhang zwischen Sonnenlicht und ADHS-Risiko lässt sich derzeit noch nicht abschließend erklären. In ihrem Fazit vermuten die Forscher, dass eine sonnige Umgebung die „innere Uhr“, das Wechselspiel der Hirnhormone Melatonin (Einschlafen) und Serotonin (Aufwachen, Aktivität) zuverlässiger reguliert als eine trübe Umgebung. Sie verweisen dabei auf aktuelle Studien, bei denen eine Linderung der ADHS-Symptome auftrat, wenn chronische Schlafstörungen erfolgreich behandelt wurden und ein geregelten Tag-Nacht-Rhythmus der Kinder garantiert wurde.
Als negativ habe sich nach Ansicht der Forscher das „Blaue Licht“ der Bildschirme erwiesen. Viele Kinder nutzen bis spät in die Nacht das Fernsehgerät, den Computer, Tabletts oder Smartphones, deren Beleuchtung die Freisetzung der Melatonins hemme. Besonders kritisch sei, dass diese Störung der inneren Uhr bis kurz vor dem Schlafengehen einwirke.
Von einem übereilten Umzug in sonnenreiche Gefilde raten die Forscher jedoch ab, denn der Wechsel des sozialen Umfeldes könnte sich für gefährdete Kinder als symptomverstärkend auswirken.
Quellen: Arns, M. et al. (2013): Geographic Variation in the Prevalence of Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder: The Sunny Perspective. Biological Psychiatry 74(8): 585-590. doi:10.1016/j.biopsych.2013.02.010
Erstellt am 5. November 2013
Zuletzt aktualisiert am 6. November 2013

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