Heizdecke, Wärmflasche, Sauna oder ein heißes Bad wirkt ebenfalls verstärkend

Schmerzpflaster sind im Sommer ein Gesundheitsrisiko

von Holger Westermann

Bei schwüler Hitze können während der subkutanen Applikation von hochwirksamen Schmerzmitteln gefährliche Komplikationen auftreten. Davor warnte bereits im Sommer 2010 die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK). Bei Hitze weiten sich die Adern, die Hauttemperatur steigt, zudem entsteht beim Schwitzen ein Wasserfilm auf der Haut. Diese Wärmeeffekte verstärken die Wirkstoffaufnahme durch die Haut. Bei Überdosierung droht Lebensgefahr! Mit Blick auf die aktuelle Wetterprognose erneuert die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) ihre Warnung.

Die dramatische Folge einer Überdosierung mit Schmerzpflastern illustriert eine aktuelle Gerichtsentscheidung. Der verurteilte Notarzt hatte einem Patienten mit Verdacht auf Bandscheibenvorfall zunächst Morphin gespritzt und zudem ein Schmerzpflaster überlassen, damit er es bei Bedarf anwende. Ob nun ein Missverständnis zwischen Arzt und Patienten oder ein vorzeitiger Einsatz des Schmerzpflasters ursächlich war, konnte das Gericht nicht klären, der Patient verstarb aufgrund einer Schmerzmittel-Überdosierung, obwohl er nach Aussage seiner Witwe sehr sportlich und kerngesund gewesen sei.

Eine Überdosierung muss nicht zwingend so tragisch enden. Doch durch die im Sommer beim Schwitzen in schwüler Hitze oft erhöhte Hauttemperatur werden die stark wirksamen Schmerzmittel aus Pflastern (beispielsweise Fentanyl oder Buprenorphin) schneller und leichter durch die Haut hindurch ins Blut aufgenommen. Deshalb sollten die Hautpartien, auf denen Schmerzpflaster aufgebracht sind, so weit wie möglich vor Erwärmung geschützt werden. Empfehlenswert ist ein Aufenthalt im Haus oder zumindest im Schatten um den Einfluss direkter Strahlungswärme (auch Reflexion an Hauswänden) der Sonne zu vermeiden.

„Patienten sollten die Zeichen einer Überdosierung kennen und das Pflaster bei Verdacht darauf sofort entfernen“, empfehlen AMK-Vorsitzender Prof. Dr. Martin Schulz (2010) und Apothekerin Gabriele Regina Overwiening, Mitglied des Vorstands der Bundesapothekerkammer (2013). Das gilt ebenso für Pflegekräfte und pflegende Angehörige. Eine deutlich verlangsamte Atmung begleitet von allgemeiner Schwäche oder Schwindelanfällen, Schläfrigkeit, langsames oder verwirrtes Sprechen gelten als Anzeichen. Leider sind das auch typische Begleiterscheinungen des körperlichen und geistigen Leidens unter schwüler Hitze. Deshalb ist unter so widrigen Wetterbedingungen eine besondere Achtsamkeit (der Patienten selbst) und Aufmerksamkeit (der Pflegenden) geboten.

Auch nach dem Entfernen eines Schmerzpflasters hält die schmerzstillende Medikamentenwirkung weiterhin an, da sich in der Haut ein Wirkstoffdepot bildet. Bei Verdacht auf witterungsbedingte Überdosierung sollte deshalb stets ein Arzt hinzu gezogen werden und der betroffene Patient noch etwa einen Tag lang mit erhöhter Aufmerksamkeit beobachtet werden. In diesem Zusammenhang warnen die Apotheker auch vor leichtfertigem Umgang mit bereits benutzen Schmerzpflastern. Sie enthalten noch hinreichende Mengen Wirkstoff, um für andere Menschen, insbesondere Kinder die „Oma spielen“, lebensgefährlich sein können. Die Experten empfehlen daher die Pflaster vor dem Entsorgen mit den Klebeflächen aneinander zu fixieren, sodass sie nicht mehr entfaltet werden können.

Quellen:

Schmerzpflaster: bei Hitze Überdosierung möglich. Online veröffentlicht am 1.08.2013 auf Aponet.de, Webseite der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.

Hitze begünstigt Überdosierung bei Schmerzpflastern. Online veröffentlicht am 23. Juli 2010 im Deutschen Ärzteblatt, Organ der Bundesärztekammer (Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern) und der Kassenärztliche Bundesvereinigung.

Patient stirbt an Fentanyl-Pflaster. Online veröffentlicht am 29. Juli 2013 im Deutschen Ärzteblatt, Organ der Bundesärztekammer (Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern) und der Kassenärztliche Bundesvereinigung.

Erstellt am 2. August 2013
Zuletzt aktualisiert am 2. August 2013

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