FMS könnte eine besondere Form neuropathischer Schmerzen sein
Organische Ursache des Fibromyalgie Syndroms (FMS)
Die organische oder psychosomatische Ursache (Ätiologie) des FMS ist bisher nur sehr unzureichend verstanden. Welche Abweichung vom Gesunden zur Ausbildung eines FMS führt, können Ärzte bisher nicht eindeutig benennen. So erstaunt es nicht, dass Hilfe suchenden Patienten von ihren behandelnden Ärzten zahlreiche, einander auch widersprechende Erklärungen zum individuellen Krankheitsverlauf (Pathogenese) vorgetragen werden. Forscher der Universität Würzburg identifizierten nun eine Schädigung der kleinen Nervenfasern in der Haut, die für Schmerz- und Temperaturempfinden verantwortlich sind, als organische Ursache des FMS.
Die Symptome des FMS sind vielfältig, die Diagnose ist schwer zu stellen, eine Therapie kann bestenfalls die Symptome lindern, heilen kann sie nicht. Neue Forschungsergebnisse der Julius-Maximilians-Universität in Würzbug deuten darauf hin, dass es eine eindeutig organische Ursache für das Auftreten des FMS gibt.
Die Forscher um die Privatdozentin Dr. med. habil. Nurcan Üçeyler konnten bei FMS-Patienten Schäden an den kleinkalibrigen schmerzleitenden Nervenfasern (small fibers) feststellen. Die kleinen Nervenfasern liegen in der Haut, sie reagieren auf Schmerzauslöser aber auch auf Temperaturänderungen. Das könnte erklären warum die Mehrzahl der FMS-Patienten sehr sensibel auf Wetterwechsel reagiert. Ein Grund mehr, sich aktiv am aktuellen Forschungsprojekt Fibromyalgie hier auf Menschenswetter zu beteiligen und ein Biowetter-Protokoll zu führen.
Für ihre Studie haben die Forscher aus Würzburg 35 Patienten untersucht. 25 von ihnen litten am FMS, zehn waren an einer Depression erkrankt ohne am FMS oder anderen Schmerzsyndromen zu leiden. Zudem wurden Menschen ohne FMS und Depression als Kontrollgruppe in die Untersuchung eingeschlossen. Analysiert wurde die Wahrnehmungs- und Schmerzschwellen der kleinen Nervenfasern bei Wärmeeinwirkung (quantitative sensorische Testung, QST) und deren elektrische Erregbarkeit (pain-related evoked potentials, PREP). An kleinen Gewebeproben (Biopsie) aus der Haut wurden die kleinen Nervenfasern auch mikroskopisch nach Veränderungen gesucht. „Diese drei Methoden sind somit objektive Verfahren, die sich bei der Beurteilung der kleinen Nervenfasern ergänzen und deren mehrdimensionale Analyse erlauben“ erläutert Studienleiterin Üçeyler die Auswahl der Untersuchungsmethode.
Das Ergebnis der Untersuchungen war einheitlich und eindeutig: „In allen drei Testverfahren fanden sich bei Patienten mit Fibromyalgie-Syndrom deutliche Zeichen für eine Schädigung der kleinen Nervenfasern“, erklärt die Medizinerin. Fibromyalgie-Patienten reagierten in der QST weniger empfindlich auf Temperaturreize. In den PREP-Ableitungen zeigten die Betroffenen schwächere Antworten auf die Schmerzreize. Und auch unter dem Mikroskop fanden die Wissenschaftler deutliche Veränderungen: „In der Hautstanzbiopsie war die Anzahl der kleinen Fasern deutlich reduziert – ein Befund, der typisch ist für Erkrankungen mit small-fiber-Beteiligung“, so Üçeyler.
Dabei unterschieden sich die Ergebnisse der FMS-Patienten nicht nur von gesunden Studienteilnehmern (Kontrollgruppe), sondern auch von den Patienten, die an einer Depression erkrankt waren, aber nicht unter Schmerzen litten – letztere zeigten ähnliche Ergebnisse wie Gesunde. Obwohl FMS-Patienten ähnlich viele depressive Symptome aufwiesen wie die depressiven Studienteilnehmer, zeigten nur sie eine Beeinträchtigung ihrer kleinen Nervenfasern.
Für Üçeyler läutet diese Entdeckung „einen Paradigmenwechsel“ ein: Die Ergebnisse der Studie würden das bisherige Konzept der FMS-Ätiologie in Frage stellen. „Mit dem Nachweis einer Beeinträchtigung der kleinen Nervenfasern bei Patienten mit Fibromyalgie erfüllt Schmerz bei dieser Krankheit nun die Kriterien von neuropathischen Schmerzen, also Schmerzen, die durch eine Schädigung oder Erkrankung des Nervensystems bedingt sind“, sagt Üçeyler. Darüber hinaus hätten Mediziner jetzt erstmals ein objektiv messbares Kriterium an der Hand, an dem sie sich bei der Diagnosestellung orientieren können.
Das Team um Dr. habil. Nurcan Üçeyler und Prof. Dr. Claudia Sommer zieht ein ermutigendes Fazit ihrer Forschungsarbeit: „Auch wenn noch nicht bekannt ist, warum es zu einer Schädigung der small fibers bei Fibromyalgie kommt, könnten unsere Ergebnisse die Grundlage für die Neudefinition des Fibromyalgie-Syndroms als Erkrankung schaffen.“
Quellen: Üçeyler, N. et al. (2013): Small fibers in fibromyalgia syndrome. Brain, online veröffentlicht am 09.03.2013. doi:10.1093/brain/awt053 Bartsch, G. (2013): Fibromyalgie: Erster Nachweis erbracht. Pressemitteilung der Julius-Maximilians-Universität Würzbug vom 14.03.2013
Erstellt am 14. März 2013
Zuletzt aktualisiert am 14. März 2013

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