Jeder dritte Europa hat ernste psychische Probleme, die seine Lebenserwartung reduzieren

Psychische Dauerbelastung verkürzt die Biographie

von Holger Westermann

Schwere Depressionen (major depression) sind eine potentiell tödliche Erkrankung. Für Betroffene bedeutet dies eine um 10 bis 15 Jahre verringerte Lebenserwartung, wobei nicht allein Suizid oder Gewalt gegen sich selbst der Grund dafür sind. Oft führt die seelische Erkrankung auch zu körperlichen Beschwerden, wie Bluthochdruck aber auch Krebserkrankungen. Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass auch Menschen, die an einer minderschweren Form der Depression leiden (minor depression, Dysthymie), ein hohes Risiko für diese Sekundärerkrankungen aufweisen.

Nach Analysen schottischer Wissenschaftler gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den psychischen Problemen und der Einbuße an Lebensjahren. Für ihre Studie haben die Forscher mehr als 68.000 Männer und Frauen ohne Herz-Kreislauf-Beschwerden und/oder diagnostizierter Krebserkrankung nach Anzeichen von Depression, Angstzuständen oder sozialen Problemen befragt.

Während der achtjährigen Beobachtungszeit starben 8.365 der zuvor Befragten. Auffällig war der Einfluss psychischer Belastungen auf die Wahrscheinlichkeit eines vorzeitigen Todes. Bereits bei leichten Beschwerden stieg die Sterberate* um 16 Prozent, bei starken Symptomen erhöhte sie sich um 67 Prozent. Dabei zeigte das Herz-Kreislauf-Risiko eine höhere Relevanz als beispielsweise Krebserkrankungen.

Wie und warum Depressionen und andere psychische Erkrankungen das Leben der Betroffenen verkürzen können ist noch nicht vollständig geklärt. Die Autoren der Studie verweisen darauf, dass akuter psychischer Stress Herz und Kreislauf belastet, die körpereigene Kortisolproduktion erhöht und den Spiegel zahlreicher Entzündungsmarker im Blut ansteigen lässt.

(* Sterberate ist der Anteil an Todesfällen innerhalb einer Gesamtpopulation im Verlauf eines festgelegten Zeitraums, zumeist ein Jahr. Sterben beispielsweise in einem Jahr 1.000 Personen von 100.000 Einwohnern einer Stadt oder Angehörige einer Risikogruppe beträgt die Sterberate 1,0%. Steigt die Sterberate um 16% so sterben statt 1.000 Personen nun 1.160 Menschen. Die Sterberate beträgt nun 1,16%. Würde die Sterberate auf 16% steigen, so wären 16.000 Menschen gestorben.)

Quellen:

Russ, T.C. et al. (2012): Association between psychological distress and mortality: individual participant pooled analysis of 10 prospective cohort studies. British Medical Journal2012, 345: e4933; doi: 10.1136/bmj.e4933

Wittchen, H.U. et al. (2011): The size and burden of mental disorders and other disorders of the brain in Europe 2010. European Neuropsychopharmacology 21(9): 655-679

Seelische Belastungen erhöhen das Sterberisiko. Deutsche Gesundheits-Korrespondenz, Newsletter des Deutschen Grünen Kreuz (dgk) 53(9): 6-7

Erstellt am 22. Oktober 2012
Zuletzt aktualisiert am 22. Oktober 2012

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