Patientenzufriedenheitsbefragungen sind nur dann hilfreich, wenn sie nicht in der Schublade verschwinden sondern die Erkenntnisse in der täglichen Krankenhausarbeit berücksichtigt werden.

Die Patienten fragen, so einfach kann Qualitätsmanagement im Krankenhaus sein.

von Holger Westermann

Bei der Mehrzahl deutscher Krankenhäuser gehört es heute zur Routine die Patienten bei ihrer Entlassung zu befragen. Doch wie steht es um die Qualität dieser Qualitätsberichte? Wie verständlich sind die Fragebogen? Werden überhaupt die relevanten Fragen gestellt?

Relevant aus der Perspektive der Patienten und nicht nach den Bedürfnissen des formalisierten Controllings und der Computersoftware des Krankenhausmanagements. Aktuelle Untersuchungen offenbaren hier erhebliche Defizite. Der praktische Nutzen der Patientenbefragung ist daher oft gering, aus den Ergebnissen werden keine konkreten Verbesserungsmaßnahmen entwickelt.

Zufriedenheitsbefragungen sind wissenschaftlich problematisch, weil sie die bereits getroffenen Entscheidungen der Befragten in Frage stellen. Wer etwas gekauft hat und nun berichten soll wie zufrieden er mit dem Produkt ist, wird dabei auch gefragt, ob er denn die richtige Kaufentscheidung getroffen hat. Und wer bescheinigt sich schon gerne selbst eine Fehlentscheidung. Nur wer behauptet er sei „übers Ohr gehauen“ worden ist bei einer negativen Beurteilung noch mit sich im Reinen. Extreme Urteile sind die Folge: „Sehr gute Wahl – würde ich immer wieder kaufen“ oder „Glatter Betrug – davor muss man  warnen“.

Fragt man nach der Zufriedenheit der Patienten nach einer Krankenhausbehandlung, so fehlt es den Befragten zumeist an einem Bewertungsmaßstab. Als Kunden wissen wir, wie eine Schokolade schmecken sollte damit sie mit „gut“ bewertet werden kann und wann der Service in einem Hotel „schlecht“ gewesen ist. Nur sehr wenige Patienten wurden in unterschiedlichen Krankenhäusern behandelt und verfügen über einen Vergleichsmaßstab. Und zu Recht ist die Mehrzahl der Patienten dankbar für die weitgehend wiederhergestellte Gesundheit, denn hierzulande verlaufen die Krankenhausbehandlungen zumeist erfolgreich.

Vielleicht sind es diese methodischen Schwierigkeiten der Grund dafür, dass zwar an vier von fünf Krankenhäusern Patientenbefragungen durchgeführt werden, aber rund die Hälfte der Pflegekräfte (zwischen 45 und 60 Prozent) Nichts über die Ergebnisse sagen konnten. Wenn die Befragungen überhaupt ausgewertet werden, dann kommen die Verbesserungsvorschläge nicht dort an, wo sie umgesetzt werden sollten.

Das "Institut für betriebswirtschaftliche Analysen, Beratung und Strategieentwicklung (ifabs)" befragte im Rahmen einer Pilotstudie Pflegekräfte in 174 Klinikabteilungen verschiedener Krankenhäuser und Fachrichtungen über die Befragungspraxis.

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse dieser Analyse "Forschungsinitiative Benchmarking" (Benchmarking = Beurteilung anhand von Vergleichswerten):

  • Die Verteilung der Befragungsbögen an die Patienten erfolgt zufällig, falls eine Pflegekraft gerade Zeit dazu hat. Knapp die Hälfte der Mitarbeiter halten diese Befragungen ohnehin für nicht notwendig.
  • Nur jede dritte Abteilung bekam eine umfassende Rückmeldung oder Ergebnismitteilung auf Grundlage der Patientenbefragung. Ein Viertel erhielt zumindest Einzelergebnisse, die anderen erfuhren Garnichts.
  • Gabe es Auswertungsberichte so war deren Aussagewert durchweg gering. Es fehlt eine Klassifikation der Patienten (männlich – weiblich, jung – alt) oder eine Darstellung der Entwicklung der Patientenzufriedenheit im Zeitverlauf oder ein Vergleich mit anderen Abteilungen. Eine Bewertung der Ergebnisse war so nicht möglich.
  • Aber auch für die Patienten gab es Hindernisse: zu kleine Schrift, unübersichtliches Layout, unklare Fragestellungen, spitzfindige Formulierungen (Juristendeutsch) und die Ungewissheit, ob eine Negativbewertung nicht der „netten Schwester“ schaden kann.


Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Patientenbefragungen in vielen Krankenhäusern eher ein Marketinginstrument sind, um dem Patienten das „persönliche Interesse am Wohlergehen“ vorzugaukeln, als dass sie als wirksames Instrument des Qualitätsmanagements im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses genutzt werden.

 

Quellen:
Aust B. 1994: Zufriedene Patienten? – Eine kritische Diskussion von Zufriedenheitsuntersuchungen in der gesundheitlichen Versorgung. Veröffentlichungsreihe der Forschungsgruppe Gesundheitsrisiken und Präventionspolitik, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

Braun B. et al. 2008: Pflegearbeit im Krankenhaus – Ergebnisse einer wiederholten Pflegekraftberatung und einer Längsschnittanalyse von GEK-Routinedaten. Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse, Band 60.

Neugebauer B., Porst R. 2001: Patientenzufriedenheit – Ein Literaturbericht. ZUMA-Methodenbericht Nr.7/2001.

Thill K.-D. 2010: Patientenzufriedenheits-Befragung im Krankenhaus: ein Qualitätsmanagement-Instrument mit Anwendungsschwächen – Best-Practice-Studienergebnisse. Ifabs Forschungsinitative Benchmarking.

Erstellt am 20. Januar 2011
Zuletzt aktualisiert am 20. Januar 2011

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