Flexible Konzepte sind besonders geeignet, Konflikte zu provozieren
Moderne Büro-Gestaltung gefährdet das Arbeitsklima
Insbesondere Frauen beklagen vermehrt Konflikte am Arbeitsplatz, wenn die Arbeitsabläufe durch die Gestaltung von Büroflächen optimiert werden. Dabei sollen Kombibüros oder Business-Club-Konzepte eigentlich die Kommunikation unter den Kollegen fördern und sozialen Stress reduzieren.
Die Gestaltung von Büroräumen ist nicht nur dekorative Innenarchitektur und effiziente Flächenbewirtschaftung. Neben den Aspekten der Arbeitsplatzergonomie repräsentiert sie auch die Organisationskultur des Unternehmens und wirkt sich unmittelbar auf das Arbeitsklima aus:
- wie wichtig ist Teamarbeit, gibt es spontan verfügbare Besprechungstische?
- wie wichtig ist kreatives Arbeiten, gibt es inspirierend gestaltete Nischen oder gar Räume?
- wie wichtig ist der informelle Austausch im Kollegenkreis, gibt es geschlossene Räume oder offen zugängliche Büros?
- wie wichtig ist konzentriertes Arbeiten, gibt es nur Großraumbüros oder auch Räume mit ein, zwei oder drei Schreibtischen?
Moderne Konzepte der Büro-Gestaltung versuchen möglichst vielen Ansprüchen der dort Beschäftigten zu entsprechen. Allen gleichermaßen zu genügen gelingt dagegen nicht, sie sind zu widersprüchlich. Konzentriertes Arbeiten gelingt hinter verschlossener Tür eines Einzelbüros am Besten; die hierarchiefreie Kommunikation bedarf der offenen Gruppenarbeitsplätze ohne festgelegte Arbeitsplatzzuordnung.
Derzeit besonders beliebt sind daher Kombibüros, bei denen sich standardisierte Kleinbüros mit einem bis drei Schreibtischen, um eine Kommunikationszone gruppieren. Im Idealfall sind die Büroräume transparent getrennt, durch die Glaswände (oftmals satiniertes Glas) wirkt das Kombibüro als Einheit, vergleichbar dem Großraumbüro, bietet aber auch intime Arbeitsatmosphäre und ein wenig Privatheit.
Die flexiblen Büros nach dem Business-Club-Modell verzichten dagegen gänzlich auf Privatheit, denn hier gibt es keinen „eigenen“ Arbeitsplatz mehr. Um permanente Nachbarschaft im Büro zu verhindern, die bei Sympathie die private Kommunikation und bei Antipathie das Mobbingrisiko eskaliert, wurde das Konzept des Desksharing entwickelt. Die Kollegen nutzen nicht mehr einen bestimmten Schreibtisch, sondern entscheiden sich an jedem Arbeitstag für einen der freien Arbeitsplätze. Insbesondere Agenturen oder Bürogemeinschaften mit einem hohen Anteil an Home-Office-Arbeitsplätzen bevorzugen dieses Konzept. So bleibt vergleichsweise viel Raum für Konferenztische für formelle Besprechungen sowie gemütliche Sitzgruppen zum informellen Informationsaustausch oder für entspannt kreative Gruppenarbeit.
Gerade diese modernen Büro-Gestaltungen bergen die Gefahr, Konflikte am Arbeitsplatz zu verstärken. Das ist das Ergebnis eine Umfrage schwedischer Wissenschaftler* unter 5.229 Büroangestellten im Rahmen des Swedish Longitudinal Occupational Survey of Health 2010 (SLOSH). Insbesondere fühlten sich Frauen stärker durch den Lärm, der in diesen Bürotypen auftritt, gestört als Männer. Der latente Zwang zur sozialen Interaktion sowie die unabwendbare soziale Kontrolle schüren soziale Konflikte, die letztendlich auch das Arbeitsklima beeinträchtigen. Frauen leiden stärker darunter als Männer, da sie auch sensibler auf den sozialen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen reagieren.
Frau Prof. Dr. Christina Bodin Danielsson vom Stressforschungsinstitut der Universität Stockholm vermutet, dass die aufgenötigte Teamarbeit die negativen Folgen hervorruft, denn es habe sich gezeigt, dass „gerade Gruppenarbeit zu Konflikten führe.“ Unter Frauen führen selbst Streitigkeiten um berufsbedingte Meinungsverschiedenheiten zu sozialen Verwerfungen mit oftmals langfristige Folgen, Männer vergessen dagegen auch nach engagierten Auseinandersetzungen den Konflikt alsbald.
So zeigten sich die Forscher überrascht, dass für Frauen das Großraumbüro (25% der Befragten arbeiteten an solchen Arbeitsplätzen) am wenigsten konfliktträchtig war. Frau Prof. Bodin Danielsson konstatierte konsterniert: „Frauen klagten in den beiden aktivitätsbasierten Bürotypen besonders häufig über soziale Konflikte; in den Kombi- und in den Flexi-Büros.“
Auch andere Studien zeigen, dass Frauen auf die sozialen Aspekte am Arbeitsplatz sensibler reagieren als Männer. Frauen (die Mehrzahl der Frauen) sind sozial enger eingebunden; sie geben und empfangen im Kollegenkreis mehr soziale Unterstützung. „Womöglich liegt hier der Grund dafür, dass sich die Büro-Gestaltung bei Frauen und Männer so unterschiedlich auf das Auftreten von sozialen Konflikten auswirkt“ erklärt Frau Prof. Bodin Danielsson in ihrem Fazit.
*)
- Stockholmer Hochschule für Architektur (KTH Royal Institute of Technology School of Architecture and the Built Environment)
- Stress-Forschungsinstitut und Institut für Psychologie der Universität Stockholm
- Institut für Umweltmedizin am Karolinska Institutet, Stockholm (Institute of Environmental Medicine)
- Mälardalen Universität in Västerås
Quellen: Bodin Danielsson, C. et al. (2015): The relation between office type and workplace conflict: A gender and noise perspective. Journal of Environmental Psychology 42: 161 - 171. doi:10.1016/j.jenvp.2015.04.004.
Erstellt am 15. September 2015
Zuletzt aktualisiert am 15. September 2015

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