Wetter

Gewitter-Wahrscheinlichkeit

von Holger Westermann

Insbesondere im Sommer werden Wetter- und Luftmassenwechsel von heftigen Gewittern begleitet. Die rasche Temperaturveränderung ist allerorten zu spüren. Doch Blitz und Donner, Starkregen und Sturm (manchmal auch Hagel und Orkanböen) konzentrieren sich auf kleine Regionen. In Nachbarorten bleibt es dagegen weitgehend windstill und trocken - dabei wäre nach der Hitzewelle ein wenig Regen durchaus willkommen.

Erreicht heiße Saharaluft Mitteleuropa, gleitet die heranströmende Warmluft auf das vorhandene Kaltluftkissen und wird angehoben. Die Warmluft gelangt in höhere Atmosphäreschichten und damit in kühlere Umgebung, die Luftfeuchte kondensiert und es bilden sich mächtige Wolken. Je dynamischer dieser Prozess abläuft und je energiereicher (feucht und warm) die Luft ist, um so wahrscheinlicher wachsen Gewitterwolken.

Zum Ende einer Hitzeperiode drängt Kaltluft heran und diese vergleichsweise schwere Luftmasse schiebt sich unter die Warmluft und hebt sie rasch an. Auch hier entscheiden Temperatur und Luftfeuchte der angehobenen Warmluft über das Gewitterrisiko. Im Sommer ist die von Kaltluft nach oben verschobene Warmluft durchweg energiereicher als im Winter.

Neben diesen Frontgewittern treten im Sommer auch noch lokale Wärmegewitter auf. Dabei erwärmt sich bodennahe Luft so stark, dass sie in der Atmosphäre aufsteigt. Dabei reißt sie naheliegende Warmluftkissen mit sich, es bilden sich einzelne hoch aufragende Gewitterwolken.

Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Gewitter bilden nicht gleichmäßig über die Landschaft verteilt. Manchmal gibt es selbst auf wenigen Kilometern räumlicher Distanz sehr große Unterschiede. So sind alle Gebirgsregionen privilegiert. Dort werden die Luftmassen bei der Anströmung durch das Gebirge zwangsweise gehoben und die in Gewitterwolken immer vorhandene Aufwärtsbewegung auf diese Weise verstärkt.

Das lässt sich im Sommer gut beobachten, wenn über den Bergen bereits Quellwolken zu sehen sind, es ringsum aber noch wolkenfrei ist. Da der Norden Mitteleuropas topographisch wenig spektakulär gestaltet ist, ist die Gewitterwahrscheinlichkeit im Süden größer. Zudem strömt die Heißluft stets von Süden nach Mitteleuropa und erreicht die Deutschen Küsten oftmals gar nicht oder nur in abgekühlter Form. Die Gegensätze zwischen vorhandener und heranströmender Luft sind deshalb im Süden vielfach größer als im Norden, damit wird die Entstehung von Gewittern im Süden zusätzlich begünstigt. Im Norden macht sich dagegen die Freie Bahn für Polarluft bemerkbar, wenn die Kaltluft rasch über Nord- und Ostsee, über das flache Land bis an die Mittelgebirge vordringen kann und auf diesem Weg die Gewitterbildung provoziert.

Neben diesen meteorologischen Gründen für eine gefühlte Ungleichverteilung der Gewitter ist auch eine psychologische wirksam. Denn oftmals beruht der Eindruck, dass Gewitter stets am eigenen Standort vorbei ziehen, auf dem Kulisseneffekt.

Hierzulande recken sich Gewitterwolken bis zu 12 km in den Himmel und sind so noch aus 50 km Entfernung gut zu sehen. So ist die Wahrscheinlichkeit an einem Gewittertag bedrohliche Wolken zu sehen nahe 100%. Die Gewitterzellen selber sind zwar sehr hoch, entladen sich aber über einer sehr kleinen Fläche. Zudem bleiben Gewitter oft recht ortsstabil; die Gewitterböen sind Effekte aus der Wolke heraus und beeinflussen die Zuggeschwindigkeit der Wolke kaum. Deshalb konzentrieren sich auch Regen und Hagel eines Gewitters auf sehr kleine Gebiete, mit oftmals verheerenden Folgen. Aus der Ferne entsteht jedoch der Eindruck, die Gewitter würden um den eigenen Standort herumziehen; die Gewitter würden den Beobachtungsort wie eine Theaterkulisse umgeben aber nicht treffen.

Tatsächlich gewitterarme Standorte sind in Lee (vom Wind abgewandt Seite) eines Gebirges zu erwarten. Zwar ist das Gewitterrisiko in den Bergen höher als im Flachland, doch gibt es gerade auch dort eng begrenzte Regionen mit sehr geringer Gewitterneigung. Dabei können schon kleinere Gebirgszüge als Wetterscheide fungieren. Treffen heranziehende Gewitter auf einen einzelnen Gipfel oder aufragenden Berg (im Gegensatz zum langgestreckten Bergrücken) teilen sie sich an dem Gebirge und ziehen halbiert an beiden Seiten des Hindernisses vorbei. Vergleichbar der Wasserströmung an einem großen Stein im Fluss. Hinter dem Stein ist die Strömung nur schwach, während abseits davon das Wasser mitgerissen wird. Liegt der eigene Standort in einer solche Lee-Position  kann man das spektakuläre Schauspiel der Gebirgsgewitter um sich herum beobachten ohne selbst betroffen zu sein - im Idealfall auf der Terrasse eine Ausflugslokals oder vor einer Hütte. Womöglich bedarf es des sicheren Unterschlupfs, falls das Gewitter doch noch bedrohlich nähert.

Quellen:

Dipl.-Met. Simon Tippler: Warum ziehen die Gewitter immer an mir vorbei? Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 15.08.2015

Erstellt am 16. August 2015
Zuletzt aktualisiert am 16. August 2015

Unterstützen Sie Menschenswetter!

Die Höhe des Beitrags liegt in Ihrem Ermessen.

Weitere Informationen...

 3 Euro    5 Euro    12 Euro  
 Betrag selbst festlegen  

Zwischenfrühling

Sonnenschein, Wärme an langen lichten Tage dieser Frühlingsdreiklang lockt hierzulande in den kommenden Tagen ins Freie. Das nasskalte Wetter weicht angenehmer Witterung. Für die Mehrzahl wetterempfindlicher Menschen eine Wohltat - leider wird auch der Pollenflug stimuliert. weiterlesen...


Beschleunigte Alterung der Gehirne erwachsener Frauen nach traumatiesierender Erfahrung in der Kindheit

Erleiden Mädchen emotionale, sexuelle oder physische Gewalt, müssen sie als Frauen mit einem höheren Risiko für Depressionen, Angststörungen, Fibromyalgie, Herzkreislauf - und Stoffwechselerkrankungen leben. Forscher der Charité Berlin haben nun einen weiteren neurologischen Effekt erkannt. weiterlesen...


Schon wenig Rotwein kann massive Kopfschmerzen auslösen

Reichlich Rotwein am Abend kann morgens Kopfschmerz provozieren. Manchen Menschen leiden jedoch schon nach einem kleinen Glas oder gar einem Probierschluck Rotwein und rasch anflutenden Kopfschmerzen - nicht erst nach Stunden im alkoholvertieftem Komaschlaf, sondern unmittelbar anschließend bei hellwachem Bewusstsein. weiterlesen...


Impfsaison 2023/2024 für Menschen mit Atemwegserkrankungen

Robert-Koch-Institut (RKI) und Ständige Impfkommission (STIKO) empfehlen Menschen mit Asthma und COPD frühzeitige Impfung gegen Grippe (Influenza) und neue Corona-Varianten sowie eine Überprüfung des Pneumokokken-Schutzes zur Vorbeugung einer Lungenentzündung. Gerade in der jetzt beginnenden kalten Jahreszeit steigt neben Infektionen der oberen und unteren Atemwege auch das Risiko für spürbare Verschlechterung der Symptomatik von vorbestehenden Lungenerkrankungen. weiterlesen...


Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt Ärzte bei der Diagnose

Das Konzept der KI (im Englischen treffender als Artificial Intelligence bezeichnet) ist in der aktuell populären Version auf die Komposition von Texten optimiert. In der medizinische Diagnostik werden andere Qualitäten gefordert. Doch schon heute liefern solche Anwendungen erstaunlich kompetente Unterstützung. weiterlesen...


Wetterwechsel provoziert Migräneattacken

Befragt man Menschen, die unter Migräne leiden, werden zuverlässig bestimmte Wetterlagen oder  eine besonders dynamische Veränderung des Wetters als Auslöser von Schmerzattacken genannt. Deshalb wurde dieser besondere Umwelt-Trigger schon vielfach untersucht. Neue Studien zeigen, dass es nicht die Wetterlage ist, die Schmerzattacken auslöst. weiterlesen...