Wetter

Gesundheitsrisiko dünne Luft

von Holger Westermann

Schwarzwald-Blick

Das erste sommerliche Wochenende in Mitteleuropa, durch Fronleichnam und den Brückentag sogar zum Kurzurlaub erweiterbar, lockt viele Menschen ins Grüne. Um der drückend heißen Luft zu entfliehen (vor wenigen Tagen wurde noch die Kälte beklagt), werden gern Berge erklommen. Dabei kommen Untrainierte schnell an ihre Leistungsgrenze. Für Menschen mit Atemwegserkrankungen können gar ernsthafte Gesundheitsgefahren auftreten - die mit steigender Höhe abnehmende Luftdichte erschwert eine ausreichende Sauerstoffversorgung.

Fernsicht weitet den Horizont, die Luft in den Bergen ist staubfrei und frisch, beim Wandern oder Radfahren in topographisch spektakulärem Gelände wird das Körper- und Naturerlebnis besonders intensiv empfunden. Doch in Gipfelregionen wird die Atemluft spürbar dünner. Es ist nicht allein der Konditionsmangel, wenn der Weg bergauf immer anstrengender wird, wenn Atmung und Herzschlag an Tempo gewinnen während die Schritte immer langsamer aufeinander folgen.

Luft ist ein Gasgemisch, der Sauerstoffanteil beträgt rund 21%. Für die Sauerstoffversorgung des Blutes ist jedoch relevant, wieviel Moleküle pro Atemzug, also pro Volumeneinheit, inhaliert werden. Beim gesunden Menschen beträgt das Atemzugvolumen in Ruhe etwa 0,5 Liter, bei extremer Anstrengung kann es bei auf 1,5 Liter gesteigert werden, das gesamte Lungenvolumen (Vitalkapazität) inklusive der beim Ausatmen verbleibenden Restluft beträgt gut 3 Liter.

Durch die Schwerkraft sind die Luftmoleküle in bodennahen Schichten kompakter zusammengedrückt als in höheren Atmosphäreschichten. Das bedeutet, dass pro Liter Luft auf Meereshöhe mehr Moleküle, auch Sauerstoffmoleküle, eingeatmet werden können als auf Berggipfeln. Gesunde Menschen spüren den Effekt ab etwa 2500 m über dem Meeresniveau. Bei nicht hinreichend akklimatisierten Personen kann dann akute Höhenkrankheit auftreten: Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindelgefühle sind typische Symptome. Oberhalb von etwa 3500 m (ü. NN.) steigt das Risiko rapide. In Lunge und Gehirn können sich Ödeme (Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe) bilden, die letztendlich tödlich sind.

Bergsteiger, die über diese Grenze hinaus klettern wollen, müssen ihrem Körper ausreichend Zeit zur Anpassung gewähren; Kraft und Fitness sind nicht ausschlaggebend. Entscheidend sind Aufstiegsgeschwindigkeit (je langsamer, desto besser), erreichte Höhe und die individuelle Empfindlichkeit.

Für die kurzfristige Anpassung beschleunigt der Körper die Atmung, um den Sauerstoffbedarf auch bei geringerem Sauerstoffangebot pro Atemzug zu decken. Ein vergleichbarer Effekt quält bereits im Mittelgebirge Menschen mit Atemwegserkrankungen, insbesondere mit eingeschränkter Lungenfunktion (chronic obstructive pulmonary disease, COPD; umgangssprachlich auch Raucherhusten genannt). Wer dauerhaft damit leben muss, dass die Versorgung mit Sauerstoff nicht zuverlässig funktioniert, reagiert auf solche physikalischen Effekte der Sauerstoffreduktion besonders sensibel. Sie leiden dann nicht an einer typischen Höhenkrankheit, die Symptome sind aber ähnlich: beschleunigte Atmung und Herzschlag, Muskelschwäche, Kopfschmerzen, Übelkeit, Einbruch der Leistungsfähigkeit.

Auch plötzlicher Temperaturanstieg kann bei Menschen mit eingeschränkter Lungenfunktion eine Verstärkung der Symptome provozieren. Je wärmer die Luft ist, um so schneller bewegen sich die Luftmoleküle und um so heftiger und häufiger kollidieren sie miteinander. dieser Effekt führt dazu, dass die durchschnittliche Dichte warmer Luft geringer ist als bei Kälte. Die Moleküldichte von Warmluft entspricht der von Höhenluft. Darauf sollten sich Menschen mit Atemwegserkrankungen einstellen. Ein Ausflug in die Berge könnte durchaus Linderung verschaffen. Dort oben ist die Luft zwar aufgrund der Höhe dünner, durch die kühlere Temperatur am Gipfel fällt der Effekt im Mittelgebirge aber nicht allzu drastisch aus. Die in der Naturlandschaft geringere Konzentration an Staub, Ozon und Stickoxyden (NOx) wird sich positiv auf Atmung und das Wohlbefinden im Allgemeinen auswirken.

Quellen:

Dipl.-Met. Tobias Reinartz und Lars Kirchhübel: Wenn die Luft zu dünn wird… . Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 28.05.2015

Erstellt am 4. Juni 2015
Zuletzt aktualisiert am 4. Juni 2015

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