Wetter

Mpemba-Effekt

von Holger Westermann

Wenn Wasser zu Eis gefriert muss es unter 0°C abkühlen. Je kälter das Wasser bereits ist, um so zügiger erstarrt es – genau diese Annahme stimmt nicht. Warmes Wasser gefriert bei leichtem Frost rascher als kühles Wasser. Benannt wurde dieses Physik-Paradox nach dem damals 13-jährigen tansanischen Schüler Erasto Bartholomeo Mpemba, er hatte den Effekt 1963 bei der Herstellung von Speiseeis beobachtet.

Dauerfrost dominiert derzeit das Wetter in Mitteleuropa. So können allerorten natürliche Experimente zur Eisbildung (sich selbständig in der Natur ereignen oder sind ohne nennenswerten technischen Aufwand provozierbar) durchgeführt werden. Für Schockfrosteffekte, bei denen hochgeschleudertes Wasser in trockenkalter Luft gefriert, bevor es zu Boden fällt, ist es hierzulande noch nicht kalt genug. Doch der verblüffende Mpemba-Effekt lässt sich prächtig beobachten.

Stellt man bei Frost zwei identische Schüsseln ins Freie, eine gefüllt mit zimmerwarmem Wasser und eine mit dem gleichen Volumen etwa 50°C warmem Wasser, so wird die wärmere Flüssigkeit zuerst gefrieren. Logisch ist das nicht, denn bei 50°C muss eine größere Wärmemenge abgeführt werden als bei Zimmertemperatur – bei der selben Umgebungstemperatur.

Auf welchem physikalisch-chemischen Phänomen der Mpemba-Effekt beruht, ist bis heute noch nicht vollständig verstanden. Zwei Ursachen werden derzeit favorisiert:

  • Dampfdruckreduktion
  • Salzausfällung

In einem zur Umgebung offenen System (Schüssel) verdunsten aus einer warmen Flüssigkeit mehr Moleküle (gehen in die Luft über und werden der Flüssigkeit dauerhaft entzogen) als aus einer kühleren Flüssigkeit. So schwindet während der Abkühlung die Molekülmenge der warmen Flüssigkeit stärker als die der kühlen, es muss weniger Flüssigkeit bis zum Erstarren heruntergekühlt werden. Zudem beinhaltet 1Liter einer warmen Flüssigkeit weniger Moleküle (die sich intensiv voneinander abstoßen und deshalb einen größeren durchschnittlichen Abstand zueinander wahren) als 1 Liter kühle Flüssigkeit. Eine geringer Zahl vergleichsweise schneller Flüssigkeitsmoleküle lässt sich rascher abbremsen (abkühlen) als eine größere Zahl mit geringerer Ausgangsgeschwindigkeit (Anfangstemperatur).

Eine weitere Theorie besagt, dass im Wasser gelöste Carbonate (Salze und Ester der Kohlensäure H2CO3) den Effekt hervorrufen. Beginnt Wasser zu gefrieren (es kristallisiert nur reines Wasser zu Eis), erhöht sich der Salzgehalt der noch flüssigen Wassermenge. Dadurch sinkt der Gefrierpunkt des Wassers, auch bei Temperaturen unter 0°C bildet sich noch kein Eis. Diesen Effekt nutzt der Winterdienst beim Salzstreuen um Glatteis in Schmelzwasser umzuwandeln. Dazu muss sich das Salz im Wasser lösen. Im heißem Wasser fallen die Salze dagegen aus und setzten sich ab. Sie haben dann keinen Einfluss mehr auf den Gefrierprozess.

Welche Ursache letztendlich den Mpemba-Effekt hervorruft, ob beide Ursachen gemeinsam wirken oder ob doch bisher unbeachtete Ursachen dieses Phänomen provozieren ist noch nicht abschließend geklärt. Weitgehend einig sind sich die Wissenschaftler hingegen, dass das Eintreten des Mpemba-Effekts stark von der verwendeten Menge, Oberfläche, Tiefe sowie der ursprünglichen Temperatur des Wassers und der Umgebungstemperatur abhängt.

Abgesehen von einem sehr erstaunlichen und anschaulichen physikalischen Experiment gibt es noch keine sinnvolle Anwendung für den Mpemba-Effekt. Wer Speiseeis oder gar Eisbomben selbst herstellen möchte darf die frisch erhitzte Eismasse getrost „gut warm“  (süddeutsch für „heiß“ aber nicht mehr kochend) in den Gefrierschrank stellen, dadurch verkürzt sich die Wartezeit bis zum nächsten Arbeitsschritt – oder dem direkten Genuss.

Quellen:

Dipl.-Met. Tobias Rinartz: Vom Mpemba-Effekt und Speiseeis. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 05.02.2015

Erstellt am 6. Februar 2015
Zuletzt aktualisiert am 6. Februar 2015

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