Allabendliche Narkose durch Bier und Wein gefährdet den Lernerfolg
Alkohol bringt Studenten um den erholsamen Schlaf
Ein Glas Wein oder Bier als Schlummertrunk verbessert den Eintritt in die Tiefschlafphase, beeinträchtigt aber die Qualität des Schlafs erheblich. Am nächsten Morgen ist die Konzentrationsfähigkeit eingeschränkt, die Motivations- und Leistungsbereitschaft kann sich nicht optimal entfalten.
Nachweislich ist Alkohol ein gutes Entspannungsmittel. Wer sich vor dem Zu-Bett-Gehen moderat sediert (merkliche Beruhigung ohne Bewusstseinsbeeinträchtigung) fällt schneller in Tiefschlaf. Das konnte ein Forscherteam der Universität Melbourne (Victoria, Australien) an 24 Studenten (18 bis 21 Jahre alt, darunter 12 Frauen) experimentell bestätigen. Die Hälfte der Freiwilligen (es war wohl nicht allzu schwierig unter Studenten für dieses Experiment Freiwillige zu finden) erhielten einen alkoholhaltigen Schlummertrunk, die anderen ein geschmacklich identisches Getränk ohne Alkohol. Während des Schlafs wurde von allen Versuchsteilnehmern im Rahmen der Schlaflabor-Polysomnographie (PSG) auch die Gehirnstromaktivität aufgezeichnet (EEG, Elektroenzephalogram).
Wie erwartet registrierten die Forscher bei den Alkoholkonsumenten besonders rasch nach dem Einschlafen Delta-Wellen (Frequenz 0,1 < 4 Herz, Hz) im Slow-Wave-Muster. Diese EEG-Wellen sind charakteristisch für die traumlose Tiefschlafphase. Studenten, die ohne Alkoholunterstützung einschliefen erreichten den Slow-Wave-Sleep erst mit Verzögerung.
Doch parallel dazu registrierten die Forscher ausschließlich in der Alkoholgruppe eine erhöhte Aktivität im Stirn- oder Frontallappen (vorderer Bereich des Gehirns, Lobus frontalis). Dieses Gehirnareal steuert, neben anderen Funktionen, auch das Sozialverhalten, die Empathiefähigkeit (Einfühlungsvermögen) sowie wesentliche Charaktereigenschaften des Menschen. Dabei handelte es sich nicht um Delta- sondern um Alpha-Wellen (8 – 13 Hz). Alpha-Wellen sich charakteristisch für leichte Entspannung und entspannter Wachheit bei geschlossenen Augen. Beim Augenaufschlag während des Aufwachens, oder im traumintensiven REM-Schlaf (Rapid Eye Movement) auch bei geschlossenen Augen werden dagegen Beta-Wellen (13 – 30 Hz) registriert.
Der Alkohol-Schlummertrunk unterstützt das Gehirn dabei, rasch in den Tiefschlaf zu fallen, doch die Stirnlappen-Region ist davon ausgenommen. Sie bleibt vergleichsweise aktiv. Bei einem alkoholfreien Getränk vor dem Einschlafen ist dieser Effekt nicht zu beobachten. „Erhöhte Slow Wave Aktivität beim Schlafen deuten wir traditionell als ein gutes Zeichnen. Nun zeigt sich jedoch, dass dieser Anstieg mit anderen feinen Veränderungen einhergeht, die auf Schlafstörungen hinweisen", interpretieren die Forscher ihre Messergebnisse. Vergleichbare Veränderungen im EEG zeigen Menschen, die mit chronischen Schmerzen leben müssen. Die Forscher vermuten, dass die Aktivität des Stirnlappens auf eine allgemeine Erregung (Arousal) zurückgeht, die auch einen erholsamen Schlaf verhindert. Infolgedessen fühlen sich die Menschen bereits nach moderatem Alkoholkonsum am nächsten Morgen unausgeschlafen. Wer bis in den Morgen hinein intensiv zechte (das soll ja bei Studenten auch heutzutage noch vorkommen), wundert sich nach wenigen Stunden Schlaf kaum über Einbußen bei körperlicher und geistiger Frische. Doch dass bereits ein Bier oder Glas Wein vor dem Einschlafen die Schlafqualität messbar beeinflusst und damit Leistungsfähigkeit am nächsten Tag reduziert, war nicht zu erwarten.
So warnen die Forscher in ihrem Fazit insbesondere vor den langfristigen Folgen. Die Gewohnheit sich regelmäßig einen Schlummertrunk zu gönnen, schade nicht nur dem Wohlbefinden sondern beeinträchtige auch nachhaltig Lernerfolg und Erinnerungsprozesse. So mag ein Bier am Abend vor einer Prüfung beim Einschlafen helfen, denn während des Tests vertreibt der Adrenalin-Kick jede Schäfrigkeit. Doch in der vorbereitenden Lernphase ist ein regelmäßiger Schlummertrunk zur Entspannung nach dem Bimsen, Büffeln, Ochsen, Pauken eher kontraeffektiv. Da kann man sich am nächsten Morgen noch so lange "auf den Hosenboden setzen", ein müdes Gehirn arbeitet nicht optimal.
Quellen: Chan, J.K.M. et al. (2015): The Acute Effects of Alcohol on Sleep Electroencephalogram Power Spectra in Late Adolescence. Alcoholism: Clinical and Experimental Research, online veröffentlicht am 10.01. 2015. doi: 10.1111/acer.12621
Erstellt am 26. Januar 2015
Zuletzt aktualisiert am 26. Januar 2015

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