Arbeitnehmervertretung rechnet sich durch Kostenersparnis und Mitarbeiterbindung
Betriebsrat rettet die Gesundheit junger Mitarbeiter
Krankschreibungen sind für Kollegen und Arbeitgeber lästig; das Arbeitspensum muss durch andere übernommen werden und es entstehen zusätzliche Kosten. Oftmals verschlechtert sich auch das Betriebsklima, wenn Kollegen oder Mitarbeiter ausfallen. Dabei können ältere Arbeitnehmer, die selten aber langfristig arbeitsunfähig sind, auf mehr Verständnis hoffen als jüngere Kollegen, die zumeist nur kurzfristig fehlen – dafür aber häufiger. „Krank durch exzessive Freizeitgestaltung“ ist eine plausible Erklärung für die Erkrankung der Jungen, doch offensichtlich nur auf den ersten Blick: Denn ein Betriebsrat im Unternehmen senkt deren Krankenstand – und beeinflusst sicherlich nicht das Freizeitverhalten.
Offensichtlich wird insbesondere bei jüngeren Mitarbeitern und Auszubildenden durch eine Arbeitnehmervertretung die Zahl der Krankheitstage reduziert, so das Ergebnis einer Studie von Harald Pfeifer, Wissenschaftler am Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB*). Die Analyse stützt sich auf die Befragung von 1.250 Ausbildungsbetrieben mit mindestens 5 Beschäftigten, die mit den Personendaten der Bundesagentur für Arbeit korreliert wurden. Berücksichtigt wurde beispielsweise Geschichte/Alter des Unternehmens/Betriebs, Zahl der Mitarbeiter insgesamt, Existenz eines Betriebsrats, Höhe der Ausbildungsvergütung, Schulabschlüsse und beruflicher Werdegang der Auszubildenden, Krankenstand (Häufigkeit und Dauer), Fälle dauerhafter Arbeitsunfähigkeit.
So konnte der Einfluss konkurrierender Faktoren und Erklärungsansätze statistisch eliminiert werden. Dennoch zeigte sich bei Unternehmen mit Betriebsrat ein Gap von 20% bei den krankheitsbedingten Fehltagen gegenüber Unternehmen ohne institutionalisierte Arbeitnehmervertretung. Wo der Krankenstand ohnehin niedrig ist, fällt dieser Unterschied kaum ins Gewicht – in intensiv betroffenen Branchen sind dagegen erhebliche Effekte messbar.
Doch während der Ausbildung ist die Abwesenheit aufgrund von Erkrankungen ein generelles Problem. Verpasste Lehrinhalte am Arbeitsplatz und in der Berufsschule können nur schwer nachgeholt werden, oftmals spiegelt sich die Anzahl der Fehltage im Ergebnis der Abschlussprüfung. Ein hoher Krankenstand unter den Auszubildenden schadet den jungen Menschen selbst (leider sind sie sich dessen nicht immer bewusst), aber auch den Lehrbetrieben. Vordergründig verlieren sie die Arbeitskraft der im Verlauf der Ausbildung immer effektiver Arbeitenden, wichtiger wird aber inzwischen der nachwirkende Effekt: Im Wettstreit um gut ausgebildete Arbeitnehmer kommt der eigenen Nachwuchsförderung wachsende Bedeutung zu – die Azubis von heute sind die Mitarbeiter von morgen; mit all ihren Stärken und Schwächen. So ist auch die Quote ehemaliger Auszubildender, die auch 5 Jahre nach erfolgreichen Abschluss ihrer Lehre noch im Lehrbetrieb arbeiten, in Unternehmen mit Betriebsrat deutlich größer als in solchen ohne Arbeitnehmervertretung.
Harald Pfeifer führt diese Effekte auf die Unterstützung der Arbeitgeber bei der Mitarbeiterfürrsorge zurück. Denn „Betriebsräte hätten die Aufgabe, die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen zu Ausbildungsinhalten, Arbeitssicherheit und Arbeitszeiten von Azubis zu kontrollieren und gegen Missstände vorzugehen. Daher sei davon auszugehen, dass die Qualität der Ausbildungsbedingungen in mitbestimmten Betrieben höher ist. Wenn es trotzdem zu Konflikten mit Vorgesetzten kommt, biete Mitbestimmung den Azubis die Möglichkeit, ihre Unzufriedenheit zu artikulieren, statt innerlich zu kündigen."
Dadurch wird mittelbar eingestanden, dass gerade bei jüngeren Mitarbeiter das Betriebsklima auf das Gesundheitsempfinden wirkt – und nicht zwingend das wetterbedingte Infektionsrisiko. Doch für die Unternehmen (und Unternehmer) dürfte die unmittelbare Kausalität irrelevant sein; Ziel ist es den Krankenstand gerade unter den Auszubildenden möglichst gering zu halten. Der positive Effekt sollte bei den Erwägungen zum Nutzen betrieblicher Mitbestimmung einkalkuliert werden.
* Das BIBB wurde 1970 auf der Basis des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) als Anstalt des öffentlichen Rechts gegründet und untersteht der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Das Institut betreibt eigene Forschungsprojekte und versteht sich als Kompetenzzentrum der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Die Finanzierung erfolgt ausschließlich durch Haushaltsmittel der Bundesrepublik Deutschland.
Quellen: Pfeifer, H. (2014): Absenteeism in Apprenticeships: What Role Do Works Councils Play? Swiss Leading House Working Paper No. 98, Universität Zürich (Schweiz), online veröffentlicht im April 2014 (pdf) Kriechel, B. et al. (2014): Works Councils, Collective Bargaining, and Apprenticeship Training – Evidence From German Firms. Industrial Relations 53 (2): 199–222. DOI: 10.1111/irel.12061
Erstellt am 17. Oktober 2014
Zuletzt aktualisiert am 17. Oktober 2014

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