Wettereinfluss auf Mortalität in bayrischen Ballungsräumen
Temperatursprung provoziert Herzinfarkt
Dabei scheint es gleichgültig zu sein, ob der Thermometerwert steigt oder fällt. Relevant ist vor allem wie rasant und wie markant sich die Temperatur ändert. Sowohl an extrem warmen als auch an sehr kalten Tage steigt die Zahl tötlicher Herz-Kreislauf-Ereignisse. Hätten die Forscherinnen anstatt der im Wetterbericht-Temperatur die medizinisch relevante gefühlte Temperatur ausgewertet, wäre das Ergebnis wohlmöglich noch deutlicher ausgefallen.
Das Forscherteam unter Leitung von Frau Prof. Dr. Annette Peters vom Institut für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München (Bayern, Deutschland) analysierte nahezu 188.000 Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die sich zwischen 1990 und 2006 in München, Nürnberg und Augsburg aufgetreten waren.
Wärmebelastung und Kältereize erwiesen sich gleichermaßen als Risikofaktoren. Bis zu zwei Tage nach einem raschen Temperaturanstieg von 20°C auf 25°C war die Zahl der Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen um insgesamt 9,5% erhöht. Danach nivellierte sich der Effekt nach Aussage der Forscherinnen. Das erstaunt, denn die gefühlte Temperatur wird auch stark durch die Luftfeuchte bestimmt. Gerade gegen Ende einer sommerlichen Wärmeperiode, wenn die trockenheiße Luft durch kühlere Regenfronten verdrängt wird, nimmt die Schwüle zu und damit steigt bei gleichbleibendem Thermometerwert die gefühlte Temperatur noch einmal deutlich an. Bei Schwüle kann die Luft keine Feuchte mehr aufnehmen, der Schweiß rinnt ohne kühlenden Effekt am Körper hinab, die Belastung für Herz und Kreislauf steigt spürbar. Denn beim Schwitzen verliert der Körper viel Wasser, das großteils aus dem Blutkreislauf stammt. Das Blut wird dickflüssiger, das Thromboserisiko und die Infarktgefahr steigt. Zudem leiden die Patienten bei gefühlter Hitze unter Atemnot, Herzinsuffizienz (Herzschwäche mit geringer Pumpleistung und somit eingeschränkter Sauerstoffversorgung) sowie Herzrhythmusstörungen.
Sinkt in der Nacht die Temperatur nicht unter 20°C sprechen Meteorologen von einer Tropennacht. Vielen Menschen fällt es unter solchen Bedingungen schwer durchzuschlafen. Zwar wachen die meisten Menschen bei Nacht rund sieben mal auf, doch zumeist schlafen sie sofort wieder ein und können sich am Morgen nicht mehr an die Schlafunterbrechung erinnern. In Tropennächten fällt das Wiedereinschlafen dagegen schwer, die Nachtruhe ist nachhaltig gestört. Bleibt der erholsame Schlaf mehrere Nächte in Folge aus, tritt chronische Übermüdung auf, darunter leiden auch Herz und Kreislauf.
Aber auch Kältereize bergen offensichtlich ein Risiko für Patienten mit Herz-Kreislauf-Problemen. So erkannten die Forscherinnen einen Anstieg der Herz-Kreislauf-Todesfälle um 7,9%, sobald die Temperatur von -1°C auf -8°C sank. Bemerkenswert ist dabei, dass der Einfluss des Kältereizes als Gesundheitsbelastung bis zu zwei Wochen anhielt. Auch hier hätte ein Blick auf die gefühlte Temperatur möglicherweise einen noch deutlicheren Effekt gezeigt. Bei Kälte steigt das Infarktrisiko, weil sich die Adern zusammen ziehen, wodurch der Blutdruck sprunghaft ansteigt. Ältere Patienten mit Bluthochdruck (Hypertonie), koronarer Herzkrankheit (KHK), Arterienverkalkung (Arteriosklerose) oder Neigung zu Angina pectoris Attacken sind besonders stark gefährdet.
"Die Ergebnisse bestätigen Resultate aus unseren früheren Studien, die bereits Hinweise darauf gaben, dass ältere Menschen und Personen mit Vorerkrankungen besonders sensibel auf Hitze und Kälte reagieren", sagt Dr. Alexandra Schneider, eine der Autroinnen der Studie in ihrem Fazit. «Diese Erkenntnisse sind wichtig, um Präventionsprogramme und Verhaltensempfehlungen entwickeln beziehungsweise anpassen zu können».
Der Menschenswetter-Service unterstützt die Patienten dabei, sich optimal auf den zu erwartenden Wettereinfluss einstellen zu können. Wer eine ungewöhnlich starke Gesundheitsbelastung oder unerwartet starke Symptome spürt, kann sich informieren, ob die aktuelle Wetterlage die Beschwerden hervorgerufen hat. Dadurch ändert weder das Wetter noch das Wohlbefinden, aber es ist ein hilfreicher Hinweis geeignete Maßnahmen einzuleiten. Bei Hitze und Schwüle genügte es oftmals ausreichend zu trinken und die Aktivitäten im Freien auf den Vormittag und den späten Abend zu verlegen. Bei akuten Kältereizen kann schon angemessene Kleidung das Risiko reduzieren. Wer die Aktivitäten der kommenden Tage planen möchte, findet auf Menschenswetter auch eine Vorhersage für morgen und übermorgen – nicht nur für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern für insgesamt 17 Erkrankungen und Symptome.
Quellen: Breitner S. et al. (2014): Short-term effects of air temperature on cause-specific cardiovascular mortality in Bavaria, Germany. Heart, online veröffentlicht am 06.06. 2014. doi:10.1136/heartjnl-2014-305578
Erstellt am 8. Juli 2014
Zuletzt aktualisiert am 22. September 2014

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